TIN Rosso IGT Anfora 2013

| 12. Mai 2016 ...alles

Wie blanker, kühler Sichtbeton

Ein pikantes Gaumenspiel mit rieselnden und raschelnden Tanninen, die wie die Rassel einer Klapperschlange scheppern.

Winzer/Weingut: Montesecondo, San Casciano, Firenze, Italien.

Lage/Herkunft: Von Rebstöcken, die dicht gepflanzt auf Kalkmergelböden in traditioneller Alberello-Erziehung als Einzelstock gesetzt sind.

Tin Allgemeines: Heute wird der Frosch geküsst. Der ziert nämlich das Etikett des Sangioveses der hier unter dem Motto Italien mutig anders am Tisch der Wahrheit steht. Sogar eine goldene Krone hat er auf um gleich vorweg zu zeigen, dass es sich wohl um einen Prinzen handelt. TIN heisst der Wein von Montesecondo aus San Casciano, Firenze in der Toskana. Jahrgang 2013. Sechs Monate hat Silvio Messana seinen TIN in 420 Liter großen Tonamphoren, die er sich von Elisabetta Foradori ausgeliehen hat, auf Stiel und Stengel mazerieren lassen. Ein spannendes Projekt, das einen Sangiovese “neuer Art” hervorbringen sollte. Die Rebstöcke Silvio Messanas stehen dicht gepflanzt auf Kalkmergelböden in traditioneller Alberello-Erziehung (Gobelet-System), als Einzelstock gesetzt. Dadurch erreicht er bei gleicher physiologischer Reife niedrigere Oechslegrade und eine frischere und kühlere Aromatik. Wie anders, wie frisch und wie traditionell sein TIN 2013 jedoch tatsächlich ist, das wird jetzt hier ausführlich untersucht. Eine Stunde Karaffe hat der Tropfen hinter sich und sollte nun bereit für seinen Auftritt sein.

Im Glas: Helles, transparentes Kirschrot strahlt aus dem Glas heraus.

In der Nase: Frische Sauerkirsche hüpft einem augenblicklich in die Nase, neckt sie und lässt erst gar keine Zweifel aufkommen, dass sie im TIN alleine das Kommando führt. Eine feine, elegante Würze steht hinter ihr, unaufdringlich, lässt sie ihr Werk verrichten. Es fühlt sich extrem schlank im Riechorgan an, filigran, belebend, erfrischend, mit einer guten Portion pikanter Aromatik. Schwarze Johannisbeere gesellt sich dazu, bringt einen Schuss von blau ins Spiel und versteht sich ausgezeichnet mit der Sauerkirsche. Duftig beschreibt den Duft hier wohl am besten.

Im Mund: Ist-das-schön! Als würde man herrlich rot schmeckenden Kieselstaub kauen. Der TIN rieselt grobkörnig vom Gaumen ab und löst sich in einer wahnsinnig frischen Säurewolke auf. Man schmeckt Sauerkirsche satt, fragt sich woher die Säure kommt, kann förmlich die Tonamphore schmecken. Soviel steiniges Empfinden, soviel Leben und Agilität in den Gerbstoffen, ohne dass diese jedoch adstringierend wären. Ganz im Gegenteil, das ist Haptik pur im Mund. Rotfruchtig, traumhaft würzig, ultraschlank, filigran, spröde, fast zerbrechlich. Auf der Zunge docken die Tannine richtig an und packen zu. Im Anschluss wird sie mit dem frischen roten Saft der Sauerkirsche überflutet. Der Gaumen schreit nach mehr und kriegt von diesem steinig-rieselnden Gefühl gar nicht genug. Der Abgang rotfruchtig, zart morbide, schon an den Herbst erinnernd. Was für ein Sangiovese!

Traditionelle oder ungeübte Sangiovese/Chiantitrinker werden den TIN mit grosser Wahrscheinlichkeit als “mager bzw. sauer” empfinden. Ist er aber nicht. Er ist nur derart schlank und filigran und hoch in der Säure, wie es für herkömmliche Sangioveses in der Regel unüblich ist. Der TIN ist ein Rassepferd, hat kein Gramm zuviel auf den Rippen und ist einfach perfekt durchtrainiert. Während die Luft den Tropfen weiter befeuert, hat sich die Zunge bereits aufgegeben und lässt die Sauerkirsche, die jetzt auch von einer dunklen Johannisbeere begleitet wird, über sich bestimmen. Sie suhlt sich in dem säurefrischen Fruchtbad, rollt sich zur Seite um auch ihre Ränder zu verwöhnen und der Gaumen ist schlicht und einfach hin und weg. Um diesen Wein bildlich zu erfassen denke man an blanken, kühlen Sichtbeton. Dann hat man ihn begriffen.

Wahnsinn, was der TIN an der Luft abhält. Der nimmt ständig ab, wird immer spröder, immer filigraner und fühlt sich immer mehr wie Sauerkirsche auf Entzug an. Hoch in der Säure, rot in der Frucht, im Hintergrund morbide Würze als Begleitmusik. Herbst im Mund und doch noch Sommer. Blank und doch mit ungemein viel Struktur. Ein pikantes Gaumenspiel, rieselnde, raschelnde Tannine, die wie die Rassel einer Klapperschlange scheppern. Der TIN “klirrt” förmlich in der Futterluke und sorgt für ein kühl-erfrischendes Gaumenspiel.

Resümee: Für mich persönlich ist das der schlankste, entschlackteste und sprödeste Sangiovese den ich je getrunken habe. Und es hat, bis auf ein paar löbliche Ausnahmen, auch noch keiner soviel Spass gemacht. Ungeschminkten, ungekünstelten und total authentischen und natürlichen Spass. Das ist Sangiovese für das Herz und für die Seele. Das ist Sangiovese in seiner wohl elegantesten Ausprägung. Ich liebe den TIN und die 30 Euro die er kostet sind jeden einzelnen davon mehr als wert. Ganz grosses Kino. Ich muss jetzt Pasta kochen, sonst werd ich noch verrückt hier.

Tipp: 1-2 Stunden Karaffe, kühle 14º Trinktemperatur und dann einfach fliegen. Kochen Sie Pasta, packen Sie die Salami und den Käse aus, den Pancetta und alles was im Antipasti-Schrank ist. Geniessen Sie das Leben. Trinken Sie!

Einen Bericht über den TIN lesen Sie auch hier.

Verkostet wurde ein TIN Rosso IGT Anfora 2013 von Montesecondo aus San Casciano, Firenze in der Toskana, Italien. Bezugsquelle: K&U Weinhalle, Nürnberg.

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Kategorie: K&U Weinhalle, Verkostet

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