Radikal 2012

| 14. Juni 2014 ...alles

Radikal wie eine Shelby Cobra.

Auf die Spitze getriebener Grüner Veltliner, der so brutal betörend und radikal rasant wie die Fahrt mit einer Shelby Cobra ist.

Winzer/Weingut: Herbert Zillinger, Ebenthal/Weinviertel, Österreich.

Lage/Herkunft: Von den ‘Ebenthaler Lagen’ im niederösterreichischen Weinviertel.

Radikal Flasche/Etikett: Mit dem strahlend weissen Etikett in gewohnt brillanter Erscheinung, steht die Burgunderflasche am Tisch der Wahrheit. Ein Meisterwerk in Sachen Grafikdesign. Umrankt von unzähligen in sich verschlungenen Ornamenten sowie dem grossen dunkelschwarzen Z steht RADIKAL in kupferfarbigen Lettern in der Mitte. Das Etikett wieder gezackt, wie eine Briefmarke, im unteren Teil ebenso in Kupfer Grüner Veltliner in Kapitalen. Jedesmal wenn ich dieses grosse Z sehe muss ich unweigerlich an Zorro denken. So kann man aufgrund eines einzigen Buchstabens konditioniert sein. Am weissen Rückenetikett liest man zuerst Weinviertel DAC Reserve und erfährt dann auch ein wenig über die Edition Z, sowie der Philosophie dahinter. Zu erwähnen sind noch die 13,5 PS sowie dass es ein unfiltrierter Wein ist. Und weil Herbert Zillinger auch explizit darauf hinweist, dass sein Radikal ein Wein ist der sich über Zeit freut und selbige entschleunigt, kommt der gute Tropfen für eine Stunde in die Karaffe, um im Anschluss über den ganzen Tag hinweg verkostet zu werden.

Im Glas: In radikalem dunkelgoldgelb dreht gleichnamiger Tropfen seine Runden im Glas. Wie Öl sieht es im Becher aus.

In der Nase: Was die Nasenflügel hochzieht ist gewaltig. Nicht laut, keine Spur, aber intensiv, dicht, saftig, üppig, voluminös und GELB. Total gelb! Es fühlt sich an als würde Saft auf die Nasenwände tröpfeln. Apfelkuchen, exotische Aromen, saftig und konzentriert. Etwas Nuss steht auf, Lebkuchen, Ringlotten und Pampelmuse riecht man. Grüne Wiese taucht plötzlich auf, es wird durch schwenken frischer, etwas Minze kommt dazu. Ein verwegener, intensiver, vereinnahmender wie auch in des Wortes Sinn radikaler Duft betört die Nase und man kann nicht aufhören, selbige immer wieder ganz tief ins Glas zu stecken. Ein ‘Geruch’ der einen in Besitz nimmt und süchtig macht.

Im Mund: Noch nicht einmal am Gaumen angelangt, zeigt sich der Radikal seinem Namen alle Ehre machend. Eine Explosion ist es was plötzlich im ganzen Mundraum abgeht. Da steht dichter gelber konzentrierter Saft mit einer fast schon scharfen Würze auf der Zunge, trieft förmlich vor sich hin ohne dabei fett zu sein. Frisch wirkt es, und doch so dicht gewirkt, dass man dem Druck fast nicht standhält. Da ist Power unter der Haube, die sich aber fein und gesittet präsentiert. Es fühlt sich gelb an, es schmeckt gelb und alles fühlt sich vollkommen harmonisch, mit sich im Reinen an. Fast vergisst man die ausgesprochen feine Säure zu erwähnen, die alles zu so einem stimmigen Ganzen werden lässt. Ganz zart mischt sie im Orchester mit, hält sich zurück und ist doch sehr präsent beim Spiel auf der Zunge und am Gaumen. Der Radikal sorgt in der Tat für radikale Gefühlsausbrüche, weil er so anders, so eigenwillig, so kompromisslos, sogar edel ist. Ein Sinnesfeuerwerk, das erste Glas. Das Warten auf das zweite wird zur Qual.

Vier Stunden später ist es grüner in der Nase geworden. Die Opulenz ist etwas zurück gewichen und hat Platz für mehr Klarheit gemacht. Im Mund unglaublich präsent, jeden Millimeter in Beschlag nehmend ohne dabei schwer zu wirken. Über die Zungenränder fliesst der Radikal dermassen saftig und konzentriert ab, dass man ihn am liebsten genau dort einfrieren möchte. Ungemein pikant schmeckt es und am Gaumen fühlt es sich ein wenig speckig an. Begleitet von einer feinen Wolke Rauch. Man ist geneigt hier nicht von einem ewig langen, nicht enden wollenden Nachhall zu sprechen, sondern dieses Gefühl als grandioses ‘Nachbrennen’ zu beschreiben. Es hört nicht auf, es ist so gelb und dicht, so pikant und extrem würzig, so rauchig und druckvoll, so opulent und doch so fein, so … unbeschreiblich radikal.

Nach weiteren drei Stunden an der Luft ist der Radikal plötzlich lehmig-kalkig im Mundgefühl. Wunderbar! Er wirkt wie ‘erfrischt’, trotz seiner Wärme, fühlt sich leicht im Mund an, obwohl er nach wie vor gut Druck ausübt und ist im Gesamteindruck erheblich mineralischer geworden. Er hat seine anfängliche gelbe Opulenz abgestreift, schwebt jetzt fast im Mund während er niemals vergisst seine enorme Würze zu zeigen. Er wirkt noch länger anhaltend, auf der Zunge ist er belebend, fast pikant prickelnd. Ein unglaubliches Mundgefühl das gerade stattfindet. Es ist eine ‘unendliche Geschichte’ in die man eintaucht und aus der man schwer wieder heraus kommt.

Resümee: Der Radikal ist Zaubertrank für alle, die niemals aufgegeben haben an Märchen glauben. Eines steht fest: Man könnte diesen Wein über Tage hinweg verkosten und somit einen nicht enden wollenden Bericht darüber schreiben. So sehr verändert sich der Wein mit der Verlässlichkeit einer Schweizer Uhr. Als würde er in jedem neuen Akt ein neues Kostüm vorführen. Der Radikal ist Grüner Veltliner der mit herkömmlichen Vertretern seiner Sorte nichts zu tun hat. Er ist Essenz, ist das Extrakt, die Quelle. Oder das auf die Spitze getriebene Produkt, das man der Rebsorte entlocken kann. Ich weiss es nicht. Sicher jedoch ist: Der Radikal ist Droge. So oder so. Kein Wein für die Terrasse, den heissen Sommertag oder gar als frischfröhliche Feierpulle geeignet. Der Radikal hält die Zeit an, zwingt einen die Füsse hoch zu legen, sich selbst ganz weit zurück zu lehnen und einfach zu schweigen.

Tipp: 60 Minuten mindestens in die Karaffe. 90 sind besser. 12-14º Trinktemperatur! Wer Geduld hat steigt bei drei Stunden ein und geniesst den Wein über zwei Tage. Wer nicht warten kann und will trinkt ihn nach einer Stunde an und reist mit dem Wein durch Raum und Zeit. Zu Feststofflichem viel zu schade. Als Solist eine wahre Wundertüte mit unzähligen wie unerwarteten Überraschungen.

Einen Bericht über den Radikal lesen Sie auch hier.

Verkostet wurde ein Grüner Veltliner ‘Radikal’ 2012 vom Weingut Herbert Zillinger in Ebenthal im Weinviertel, Niederösterreich.

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Kategorie: Verkostet, Zillinger

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