Pinot Blanc Orange 2012

| 14. August 2015 ...alles

So unterhaltsam kann Orange sein

Das ist der mit Abstand “lustigste” Orange Wine, den ich je getrunken habe. Das ist Orange Wine zum Saufen! Einfach geil.

Winzer/Weingut: Balthasar Ress, Hattenheim, Rheingau, Deutschland.

Lage/Herkunft: Von gutseigenen Rheingauer Lagen.

Pinot Blanc Orange Flasche/Etikett: Um gleich darauf aufmerksam zu machen um welche Art von Wein es sich handelt, ist das Etikett von einem dicken knallorangen Rahmen eingefasst. Sonst ist alles wieder imposant gestaltet, am hellen, schlammoliven Untergrund mit steigenden Pferden steht ganz oben in einer Art Frakturschrift Balthasar Ress. Darüber das Familienappen mit einem goldenen Pferd, einem Löwen und einer Rebe/Traube. FEIN SEI DER WEIN steht unter den grossen Initialen BR. In der Mitte des Etiketts steht wieder der Jahrgang 2012 und darunter in grossen Lettern PINOT BLANC und trocken. Auch hier wieder der separate schmale schwarze Streifen mit BALTHASAR RESS in gold darauf. Auch diese Flasche mit einem Stelvin-Schrauber verschlossen, schwarze Halsmanschette mit VDP.Gutswein in gold bedruckt und der Kopf der Kapsel in orange. Am Rückenetikett in deutsch und englisch ausführliche Information darüber was Orange Wine ist und wie er gemacht wird. Knackige 14,5 Umdrehungen kündigen ein nicht gerade zärtliches Vergnügen an. Für eine Stunde darf der Pinot Blanc Orange aber vorerst im Dekanter seine Runden drehen, bevor er im Anschluss in den grosses Kelch darf.

Im Glas: Wie schon der Name sagt, es ist orange was im Glas steht. Goldorange mit einem Schuss Bernstein. Wie Honig.

In der Nase: Direkt nach dem umfüllen in den Dekanter unriechbar, steht nach einer Stunde ein ausgesprochen sanfter, fast verhalten wirkender Duft im Glas. Eher an trockenen Sherry erinnernd als an Wein im engsten Sinn. Nussig, etwas röstig, erdig, saftig und vor allem dicht und druckvoll. Es riecht nach kaltem Nußstrudel, aber nicht nach Wein. Das ist Sherryduft, ganz weich und warm. Nach und nach pressen sich reife Apfelnoten durch und geben dem Pinot Blanc Orange einen zärtlich fruchtigen Touch.

Im Mund: Und dann macht es einfach klick. Kaum steht der Wein auf der Zunge, spürt man eine nicht erwartete frische Säure, fast schon überschwänglich aufgelegt. Da tanzt auf einmal reifer Apfel mit der Nuss und alles fühlt sich beeindruckend lebendig an. Kandierte Früchte, cremig, weich und doch so agil und fein. Nix mit dick, das ist richtig elegant, das ist schlank, das ist einfach irre saftigsauersüss zugleich. Der absolute Hammer. Wie Sherry mit Zitrone drin. Oder Zitrone in Sherry eingelegt. Oder beides, alles, auf einmal. Köstlich. Am Gaumen überraschend leicht, mit einer Struktur die an feinsten Kalk erinnert. Zitrusfruchtig, harmonisch, neckisch und so überhaupt nicht kraftvoll. Da sind 14,5 PS drin und man hat keine Ahnung wo die untergebracht wurden. Der Pinot Blanc Orange fliegt im Mund, er schwebt und fühlt sich so erfrischend an.

Nach zwei Stunden duftet es wie in einer Bäckerei die sich auf das Backen von Nuss- und Apfelstrudel spezialisiert hat. Im Mund schmeckt man ein Mittelding aus Wein und Sherry. Hybridisches Empfinden nenne ich das mal. Da sind einerseits diese lustigen kandierten Früchte wie Apfel, Birne und auch Marille. Und dann ist da dieses so typische “orange Gefühl” das auf der Maische vergorene Weissweine haben. Diese zarte phenolische Bitterkeit, die hier nicht bitter sondern einfach nur elegant herb ist. Die Stoffigkeit auf der Zunge vermittelt, auch am Gaumen, dabei aber saftig, körperreich und ausgesprochen lebendig ist. Wo kommt diese beeindruckende Säure nur her? Der Tropfen tanzt in der Zungenmitte als hätte er nie anderes gemacht. Das geht sogar ins Fruchtige und wenn der Wein vom Gaumen abzieht, dann hinterlässt er einen mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht. Im Abgang fruchtig-sherrig (gibt es den Begriff eigentlich?) und ausgesprochen mild. Das ist Orange Wine – man verzeihe mir – zum Saufen! Das ist einfach geil.

Der Pinot Blanc Orange macht dermassen Spass auf der Zunge, dass sich diese rollt vor Freude und Verzückung. Die mittlerweile marillige Zitrusfrische ist der Hit. Man kaut sich durch den saftigen Körper, beisst hinein und quetscht den letzten Tropfen auf der Zungenspitze raus. Dann knackt es und der Saft sticht rein und sorgt für Schauer aus Frucht und Säure. Ich lecke mir die Lippen und rolle meine Zunge weil ich nicht genug davon bekommen kann. Das ist Zungenwein, kein Gaumenwein, auch wenn er dort natürlich auch für “schöne Erinnerungen” sorgt. Vordergründig ist der Pinot Blanc Orange ein Wein, der es einzig und alleine auf die Zunge abgesehen hat.

Resümee: Je länger der Tropfen an der Luft ist, umso mehr entwickelt er sich hin zum Wein, nimmt das was an Sherry erinnert nur mehr mit und verwandelt sich zu einem Trank der mit Saft und Säure besticht, der reife Frucht in zart rauchige Noten tunkt und immer mehr als Weissburgunder wahrgenommen wird. Als Weissburgunder der orange schmeckt, der sich leicht kandiert anfühlt und der so vornehm griffig ist, dass man nie mehr auf Haftung verzichten will. Ich muss aufhören weil ich sonst pathetisch werde. Nur eines noch: “Das ist der mit Abstand “lustigste” Orange Wine, den ich je getrunken habe.” Den Rest der Flasche tropfe ich mir später dann mit der Pipette auf die Zunge. Was für ein Stoff, was für ein Teufelszeug!

Tipp: 1-2 Stunden in den Dekanter. Mit 12-14º aus dem Burgunderglas trinken. Zum Essen eigentlich viel zu schade. Das ist Wein, den man unbedingt ganz ohne alles in seiner vollen Pracht erleben sollte.

Einen Bericht über den Pinot Blanc Orange lesen Sie auch hier.

Verkostet wurde ein Pinot Blanc 2012 Orange vom Weingut Balthasar Ress in Hattenheim im Rheingau, Deutschland. Achtung: “Dieser Wein ist ausschließlich für die Gastronomie verfügbar”. Anfragen bitte an 225 Liter-Handverlesene Weine, München.

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Kategorie: 225 Liter, Verkostet

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