Rioja ‘Viña Tondonia’ Gran Reserva Blanco 1991

| 19. Dezember 2014 ...alles

Flüssigkeit gewordene Patina.

Als würde man sich auf eine andere Ebene begeben, sich von allem lösen und das Sein auf den Geschmack und das Gefühl reduzieren.

Winzer/Weingut: Lopez de Heredia, Haro, La Rioja, Spanien.

Lage/Herkunft: Von der Lage Tondonia in der Nähe des Ebro an der Grenze zur Rioja Alavesa.

Vina Tondonia 1991 Flasche/Etikett: Auf der Bordeauxflasche klebt das bekannte wie auch einprägsame Etikett welches alle Heredia-Weine ziert. Vanillegelber Untergrund und darauf jede Menge Information. Links oben ein rundes Bild des Betriebes in schwarz/weiss, schräg durch die Mitte zieht sich über die volle Breite Lopez de Heredia Viña Tondonia in geschwungener Typo. Im dicken schwarzen Balken unterm ‘Hauptbereich’ des Etiketts steht VIÑA TONDONIA in grossen Kapitalen und unterhalb, im wieder hellen Teil COSECHA DE 1991. Es ist ein klassisches, nostalgisch anmutendes Stück Weinbeklebung, welches unter dem goldenen Netz fast die volle Höhe der Flasche in Anspruch nimmt. Das Netz, Alambrado genannt, dient heute nur mehr zur Dekoration und war früher Schutz vor listigen Weinhändlern, die den ‘guten’ Wein oft gegen minderwertigen austauschten und so ihren Ertrag erheblich steigerten. Mit dem Netz konnte man dies perfekt unterbinden. Entgegen der heute noch immer verbreiteten Meinung hat es aber nichts mit der Qualiät des Inhalts zu tun. Das Rückenetikett zeigt ein buntes, ministerielles Garantiezertifikat auf dem ganz unten der Hinweis steht, dass es sich um eine Gran Reserva handelt. Alles andere steht vorne drauf. Da empfohlen wird den Wein zu dekantieren folge ich dem und fülle die halbe Flasche vorsichtig in die Weissweinkaraffe um.

Im Glas: Goldig wie Rapunzels Haar steht der rare Tropfen im Glas.

In der Nase: Der Duft so ungewohnt wie betörend. Weich und leise. Sekundäraromen strömen in die Nase, es riecht nach Wachs, nach getrockneten Pfirsichen, nach Honig, nach gelben Blüten und Butterblumen. Ich würde am liebsten drin versinken. Das ist kein ‘Weingeruch’ wie man ihn kennt oder erwarten würde, das ist so anders, so weit von jedem herkömmlichen Dufterlebenis entfernt, dass es schwer fällt es in Worte zu fassen. Es ist wahrlich nicht von dieser Welt und es ist bezaubernd, verführerisch, gar liebevoll. Es ist Zeit in der Nase.

Im Mund: Es ist schier unglaublich mit welcher Frische der Wein in den Mund kommt. Doch wonach schmeckt er, was spürt man? Auf der Zunge steht ein Wein der einerseits relativ dicht und konzentriert wirkt, gleichzeitig aber mit einer so subtilen Säureader ausgestattet ist, dass man verwirrt ist ob der frischen, ja fast agilen Lebendigkeit die man spürt. Es schmeckt so anders, so ungewohnt und doch irgendwie vertraut. Sympathisch, rund, weich und doch sehr frisch. Knochentrocken fühlt es sich an, man will nicht, dass der Wein die Zunge verlässt, will mehr von diesem weiss- und gelbblütigen Geschmack, diesem Gefühl an den Zungenrändern über welche er mit einem leichten, an Zitrone erinnernden Aroma abfliesst. Um dann am Gaumen in einer Wolke aus Honig, Wachs und weissen Orchideen aufzugehen. Im Abgang hauptsächlich fühlbar, als würde man Vergangenheit einatmen.

Ich kann nicht aufhören an dem Wein zu schnüffeln. Es macht süchtig! Irgendwie dümpelt ganz weit hinten so etwas wie geräuchertes Harz in der Gegend rum und auch am Gaumen nimmt man es immer mehr wahr. Man spürt eine gewisse Würze und weiss nicht ob es wirklich Würze ist. Der Wein verwirrt, fordert, ist geheimnisvoll und unwiderstehlich. Es ist dieses ‘Nicht-Kennen’ das einen nicht loslässt wenn er weich und rund und gleichzeitig frisch und agil auf der Zunge steht. Es ist diese gelbe Blütigkeit am Gaumen, dieses wachsige, von Honig unterlegte Geschmacks- wie auch Gefühlserlebnis das einen so verzaubert. Dieser Wein ist tatsächlich nicht von dieser Welt. Mein Gaumen fühlt sich an als hätte man ihm einen Firnis verpasst um dieses Erlebnis für jetzt und die nächsten hundert Jahre zu konservieren. Auf dass es immer in ihm eingebrannt bleiben möge. Wogegen ich nichts einzuwenden hätte. Der Wein ist Flüssigkeit gewordene Patina.

Das eigentlich Verwirrende wie auch Beeindruckende ist jedoch, dass man diesen Wein nicht wirklich schmeckt. Man fühlt ihn, man nimmt ihn emotional wahr, man beginnt zu visualisieren und sich ihm hinzugeben. Alles ist Gefühl im Mund, die pure Sinnlichkeit. Ist es die Dichte, die, auch wenn es blöd klingt, relativ feinmaschig auf der Zunge steht, oder ist es die schwülstige Gelbigkeit mit der sich der Wein am Gaumen anlegt? Ist es die überraschende Frische und die Trockenheit die so saftig ist, oder ist es dieser endlos lange Nachhall der nicht aufhört Wachs und Harz hinterher zu schieben?

Resümee: Ich weiss nur eines: Ich liebe diesen Wein. Bedingungslos. Und ich behaupte: Wer sich mit einem Wein wie dem Rioja ‘Vina Tondonia’ Gran Reserva blanco am Abend hinsetzt weiss, wie es geht seinem Umfeld zu entfliehen. Der weiss wie man Zeit entschleunigt und sie ihres Tempos beraubt. Das hat mit Weingenuss im herkömmlichen Sinn nicht mehr viel zu tun, das hat fast schon etwas Spirituelles. Als würde man sich auf andere Ebene begeben, sich von allem lösen und das Sein auf zwei Sinne, den Geschmack und das Gefühl reduzieren. Die Welt ist da draussen, hier drin herrscht heute eine andere Zeitrechnung.

Tipp: In die schlanke Karaffe umfüllen und mit 12-14º geniessen. Zum Essen viel zu schade, bestenfalls ein paar trockene Kekse oder Ähnliches. Am besten ohne alles, nur für sich allein genossen. Wein zum Zeitreisen.

Einen Bericht über den Gran Reserva Blanco lesen Sie auch hier.

Verkostet wurde ein Rioja ‘Viña Tondonia’ Gran Reserva blanco 1991 von Lopez de Heredia aus Haro, La Rioja, Spanien. Bezugsquelle: K&U Weinhalle, Nürnberg.

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