Pinot Blanc Orange 2014

| 15. Juli 2016 ...alles

Symbiose von Knackigkeit und Haftung

Stoff für echte Kerle. Mit einem Trinkfluss den man nicht erwartet hätte. Dirty stuff for dirty boys. Ran an die Pulle, das Zeug rockt!

Winzer/Weingut: Balthasar Ress, Hattenheim, Rheingau, Deutschland.

Lage/Herkunft: Von gutseigenen Rheingauer Lagen.

Pinot Blanc Orange Allgemeines: Vor zwei Jahren hatte ich den Pinot Blanc 2012 Orange vom Weingut Balthasar Ress zum ersten Mal im Glas. Was Dirk Würz, Betriebsleiter und Weinmacher damit in die Flasche gezaubert hat, war für mich einfach umwerfend gut. Heute steht sein neuer Pinot Blanc Orange am Tisch der Wahrheit, der aus 2014. Und weil man es nicht oft genug wiederholen kann, auch weil sich nach wie vor hartnäckig Missinterpretationen über Orange Wine halten, sei es hier noch einmal mit Dirks Worten gesagt: “Orange Wine ist nichts anderes, als maischevergorener Weißwein. Die Trauben werden entrappt, alles wird mazeriert und so vergoren, wie man es mit Rotweinen macht; auf der Maische.” Punkt. Was den Pinot Blanc Orange 2014 von dem aus 2012 unterscheidet ist sofort ersichtlich. Protzte 2012 noch mit 14,5 PS, so wird 2014 von äusserst moderaten 11 angetrieben. Und weil ich vom 12er bereits angetan war, bin ich jetzt gespannt was 14 mit mir anstellen wird. Eine Stunde aber kommt auch dieser Tropfen in die Karaffe.

Im Glas: Orange ist orange ist orange. So steht der Pinot Blanc Orange im grossen Becher.

In der Nase: Wunderbar fein ist der Duft der daraus hochströmt. Fast schon elegant in seiner Zurückhaltung. Zarte Nussaromen verbinden sich mit einer äusserst leisen Karamellnote, es ist dezent würzig in der Nase und im direkten Vergleich mit 2012 erheblich feiner. Schön eingebunden in diesen betörenden Duft ist eine zarte Zitrusnote die für zusätzliche Frische sorgt. Augenblicklich fällt mir alles wieder ein was ich 2015 im Glas hatte, und das will ich jetzt auch sofort wieder im Mund spüren.

Im Mund: Oh wie ist das schön! Und vor allem, leicht und griffig. Etwas Orangenschale blitzt am Zungenrand auf, auf ihr selbst macht sich braune Nuss und etwas Apfel breit. Es fühlt sich leicht rauchig am Gaumen an und das Gefühl lässt sich am ehesten so beschreiben, als würde man an einem kühlen Seidentuch kauen. Nur dass es erheblich saftiger ist, wenngleich der Pinot Blanc Orange auch knochentrocken daherkommt. Eine frische Zitrusnote und eine ebensolche Säureader machen den Wein lebendig und lassen es es auch richtig knacken auf der Zunge. Der Abgang zart nussig mit einem guten Schuss Zitrone als Begleitschutz. Was übrig bleibt ist ein leiser fruchtbetonter und sehr griffiger Film auf der Zunge, der Nachhall orange in des Geschmackes Sinn und lange.

Immer mehr geht der Pinot Blanc Orange an der Luft auf. Im Mund wird er dabei immer feiner, immer schlanker und erst jetzt hat sich der Kalk so richtig an die Oberfläche durchgegraben. Dort verbindet er sich mit dieser frischen Zitrusnote und streicht die Zunge wie den Gaumen feinst damit ein. Der Wein hat fast kein Gewicht im Mund, schwebt förmlich drin. Hatte jener Pinot Blanc aus 2012 noch diese typische Sherrycharakteristik (die ich übrigens ungemein liebe), so ist der aus 2014 ein eleganter Herr der sich auf frische Apfel- und dezente Nussaromen konzentriert. Kein Bäckereiauflauf, keine Schwere, keine Überreife, nur Leichtigkeit mit Haftung die sich im ganzen Mundraum breit macht. Als Krönung herrlich säurefrisch und höchst agil am Zungenboden. War 2012 ausgesprochen dicht und saftig, so ist 2014 ein völlig entrümpelter, komplett abgespeckter Tropfen der mit absolutem Idealgewicht über den Laufsteg defiliert und sich seines wunderbaren Körpers voll bewusst ist.

Ich bin schwer geneigt den Pinot Blanc Orange 2014 als knackig zu bezeichnen. Und, was ich an Dirks Weinen so mag, sie sind auf ihre ganz charmante Art und Weise dreckig. Sogar wenn der Tropfen etwas wärmer wird (was ihm absolout gut steht) geht nichts von seiner “Bissigkeit” verloren. Hinzu kommt letztlich doch noch etwas gelber Saft. Was sich ändert ist der Grip. Der Wein wird richtig stoffig und baut ungeheure Haftung auf. Man spürt wie er sich auf der Zunge festkrallt und langsam aber stetig reife Apfelaromen auf ihr abgibt.

Resümee: Der Pinot Blanc Orange 2014 ist definitiv kein Wein für Leute die sich risikolos Gewohntem verschrieben haben. Wer aber wissen will wie sich eine Kombination aus Knackigkeit und Haftung anfühlt, der kommt um diesen extrem schlanken wie auch charaktervollen Weissburgunder nicht herum. Hat nichts mit dem Zeug aus dem Supermarktregal zu tun, das hier ist Stoff für echte Kerle. Mit einem Trinkfluss den man nicht erwartet hätte. Dirty stuff for dirty boys. Ran an die Pulle, das Zeug rockt!

Tipp: 1-2 Stunden in den Dekanter damit und dann mit 12-14º aus dem Burgunderglas geniessen. Keine Essempfehlung weil der Wein am besten ohne alles seinen wahren Charakter entfaltet. Traumstoff!

Einen Bericht über den Pinot Blanc Orange 2014 lesen Sie auch hier.

Verkostet wurde ein Pinot Blanc 2014 Orange vom Weingut Balthasar Ress in Hattenheim im Rheingau, Deutschland. Bezugsquelle: 225 Liter-Handverlesene Weine, München.

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Kategorie: 225 Liter, Verkostet

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