Les Mûres 2011
Kerniger Bursche vom Land.
Verglichen mit dem Les Mûres 2010 ist der aus 2011 ein Tropfen, der für sich allein genossen perfekt zum Philosophieren wie auch zum Entspannen ist.
Winzer/Weingut: Raimond Villeneuve, Château de Roquefort, Roquefort la Bédoule/Provence, Frankreich.
Lage/Herkunft: Von Reblagen auf einer Hochlage von 350 – 400 Metern die in verschiedenen Terrassen bis zum Mittelmeer abfallen.
Flasche/Etikett: Wie bereits bestens bekannt, ist auch diese Flasche mit dem ‘exzentrisch’ designten Etikett beklebt. Es ist die perfekte Kombination von Tradition und dem modernen Anspruch des Marquis Raimond de Villeneuve Flayosc, so heisst Raimond nämlich vollständig und korrekt. Gleichzeitig vermittelt es den fröhlichen Charakter von Raimond, der auch immer zu einem Scherz aufgelegt ist. In der omnipräsenten und total dominanten schwarzen Typo wie gewohnt das goldene Wappen der Villeneuves eingeprägt. Auf der Seite des in einem Stück durchgehenden Etiketts alles über den Wein, die verwendeten Rebsorten, die Lage und der Hinweis, ihn am besten bei 16º zu geniessen. Was ausgesprochen nützlich ist. Wie bei alle anderen Etiketten stammt auch dieses Design aus der Edelschmiede der österreichischen Designerin Cordula Alessandri. Bevor der Les Mûres seiner endgültigen Bestimmung zugeführt wird darf er eine Stunde die Karaffe kennenlernen.
Im Glas: Schon farblich steht der Les Mûres 2011 wesentlich dunkler als der 10er im Glas. Nichts mehr von leuchtendem rot, sondern fast schwarz mit bläulich-violetter Randaufhellung.
In der Nase: Im Duft ist der 11er intensiver, viel mehr Graphit zieht in die Nase, viel mehr braue Würze, alles fühlt sich konzentrierter und dichter in den Nasenflügeln an. Schwarze Beeren, Cassis, Brombeeren und nasses Holz verschmelzen zu einem dichten und intensiven Bukett das aus dem Glas heraus strömt. Ein ganzer Strauss von getrockneten Käutern überlagert diesen blau wirkenden Duft und verleiht ihm eine ebenso kraftvolle wie kräuterwürzige Charakteristik. Kein Vergleich mit dem 2010er weil er sich komplett anders präsentiert. Auch wenn die Rebsorten die gleichen sind, der 2011er wurde offensichtlich mit unterschiedlichen Anteilen dieser hergestellt.
Im Mund: Auch im Mund unterscheidet sich der Les Mûres 2011 wesentlich vom 2010er. Hatte dieser mit viel roter Beeren- und Kirschfrucht sowie etwas Graphit und einem schlanken Trinkfluss beeindruckt, so fühlt sich der 2011er schon erheblich konzentrierter auf der Zunge an. Auch was die Gerbstoffe angeht spürt man diesen eine gewisse Rustikalität an. Der Les Mûres 2011 macht mehr Druck, ist um einiges kraftvoller (was schon die 14,5% am Etikett erwarten haben lassen) und schmeckt auch brauner und erdiger. Er ist nicht so von den leichten Fruchtaromen dominiert wie der 10er, definiert sich hauptsächlich über seine Erdigkeit. Auch die Kräuternote ist satter und tiefer in den kräftigen Körper integriert. Dass mit diesen Attributen nicht der gleiche Trinkfluss wie jener des 10ers zu erwarten ist sollte klar sein. Der Les Mûres 2011 wirkt viel länger nach im Mund, man spürt seine Power und am Gaumen haftet er sehr lange, um sich dann in einem etwas herben, aber doch durchaus saftigen Abgang aufzulösen.
Definitiv braucht der Les Mûres 2011 mehr Luft als der aus 2010 um sich zu entfalten. Dann wird er auch saftiger, weicher und ausgeprägter in seiner Aromatik. Erfreulich ist, dass er trotz seiner beachtlichen PS eine angenehme Frische behält, nicht breit oder heiss wird und sich bei aller Power noch immer relativ schlank im Mund anfühlt. Auch die dunklen Beerenaromen kommen besser zum Vorschein, werden aber von einer beeindruckenden braunen Erdwürze begleitet. Genauso verhält es sich mit den Kräuternoten die sich konzentrierter zeigen. Es ist alles intensiver, dunkler, dichter, erdiger. Als wäre er die chipgetunte Version des 10ers. Er fühlt sich auf der Zunge forscher und konzentrierter an, zieht nicht hauchfein sondern selbstbewusst und mit versöhnlich seidigen Gerbstoffen über den Gaumen. Hinterlässt im Nachhall weniger Frucht als braune Erdigkeit und ebensolche Gewürzkreationen. Das Tanningerüst wirkt straffer, grobkörniger, ist aber trotzdem fein und verhindert den berühmten Pelz im Mund.
Resümee: Ohne Vergleichsmöglichkeit mit dem 2010er würde ich den Les Mûres 2011 als ‘kernigen Burschen vom Land’ bezeichnen. Der grossen Spass zu deftiger Küche macht und ob seiner blaubraunen Charakteristik vor allem im Herbst ein passender Wein ist. Der 2010er hingegen ist in seiner Wahrnehmung typisch rotfruchtig und der perfekte Rotwein für den Sommer. Einer der sich mit seiner schlanken Art und seiner saftig-fruchtigen Trinkigkeit als echter Wonnetropfen gezeigt hat. Von dem man eine zweite Flasche öffnen kann wenn die erste zu rasch verdunstet ist. Das geht beim 2011er nicht. Der ist ein kleiner Kraftprotz. Einer der für sich allein genossen ein guter Wein zum Philosophieren wie auch zum Entspannen ist. Wenn es heiss ist draussen, die Gelsen einen fressen wollen und am Grill die Einzelteile toter Tiere oder ganze Fische liegen. Dann macht er, richtig temperiert vorausgesetzt, genau jene Figur die ihm zugedacht ist und lässt einen 30º um 22 Uhr mit stoischer Gelassenheit ignorieren.
Tipp: Gönnen sie dem Wein ein bis zwei Stunden an der Luft. 16º sind im Sommer perfekt, wenn es kälter wird auf max. 18º temperieren. Passt zu allem vom Grill (inklusive Fisch), zu gut gewürzten südfranzösischen Gemüsegerichten und sogar zu deftiger Pasta. Als Solist ein Wein mit dem man gerne einen Abend in entspannter Zweisamkeit verbringt.
Einen Bericht über den Les Mûres lesen Sie auch hier.
Verkostet wurde ein Les Mûres 2011 vom Château de Roquefort in Roquefort la Bédoule in der Provence, Frankreich.
Kategorie: Château de Roquefort, Verkostet