‘Les Boccards’ 2012 Chénas rouge

| 26. Mai 2015 ...alles

Mineral brutal.

Gnadenlos entrümpelt. Frisch, schlank, aktiv, säurebetont, rotfruchtig und granitbestaubt. Griffig wie ein Mikrofasertuch. So geht Beaujolais.

Winzer/Weingut: Domaine Thillardon, Chénas, Beaujolais, Frankreich.

Lage/Herkunft: Von ungefähr 70 Jahre alten Reben die auf rosa Granit und Quarz stehen.

Les Boccards Flasche/Etikett: Verspielt wirkt das strahlend weisse Etikett das auf der Flasche klebt. In ebenso verspielter Schrift steht oben gross Chénas und unterhalb Appellation Chénas Controlée. Oberhalb ganz fein CRU DU BEAUJOLAIS als Krönung quasi um seinen Status ganz besonders zu unterstreichen. In der Mitte feine graue Kreis mit ebenso kleinen grauen Punkten drin. Verspielt, wie schon gesagt, der Sinn dahinter nicht erkennbar. Oder deutet es die Leichtigkeit des Weins an? Keine Ahnung. Darunter LES BOCCARDS und am Rand ganz unten Paul-Henri Thillardon, grafisch sehr schön umgesetzt. Ein insgesamt flottes, Leichtigkeit versprühendes Design. Am ebenso weissen Rückenetikett noch einmal alles über Herkunft und was sonst noch nötig ist. In französisch der Hinweis, dass die Reben auf rosa Granit und Quarz stehen, der Wein unfiltriert ist und deshalb Depot haben kann, was aber keinen Einfluss auf die Qualität des Weines hat. Luftige 12,5% sorgen für entsprechend Vorfreude. Für eine halbe Stunde kommt der Les Boccards in den Dekanter bevor er in den grossen Kelch darf.

Im Glas: Dunkles granatrot zieht seine Kreise im grossen Burgunderkelch. Ganz fein getrübt aufgrund der unfiltrierten Abfüllung.

In der Nase: Ausserordentlich komplex ist der Duft der in die Nase strömt. Er brüllt vor Mineralik, spielt mit dunklen roten Früchten wie Sauerkirsche und Waldbeere, macht kurz einen auf Stein und verflüchtigt sich in einer feinen, von Erdbeeren gestreiften Wolke. Helle Tabakblätter mischen ebenfalls mit im unglaublich vielschichtigen Bukett des Les Boccards, das auf einmal gar nicht voll zu fassen ist. Über allem aber schwebt ein feiner Granitfilm der dem Wein seinen steinigen Touch verleiht.

Im Mund: Und dann staubt es zwischen den Kiemen. Genauer gesagt am Gaumen. Darauf legt sich der Les Boccards nämlich augenblicklich wie ein Film an. Gerbstoffe, fein wie ein Mikrofasertuch, streichen ihn förmlich ein und lassen diesen nicht nicht mehr los. Mineral brutal kann man nur sagen. Als hätte man einen ganzen Steinbruch im Mund. Doch dazwischen tropfen feine Sauerkirscharomen heraus, eine Säure die man nicht erwartet hätte tänzelt auf der Zunge und auch sonst entdeckt man reichlich rote Aromatik. Ausgesprochen leicht steht der Les Boccards auf der Zunge, kein Gewicht und doch enorme Dichte die sich bemerkbar macht. Ich ahne wo die Reise hingeht wenn der Tropfen ein paar Stunden im Dekanter verbracht hat und ergötze mich im Moment an diesem unglaublichen, faszinierend brutalen Grip mit welchem sich der Wein im Mund bewegt. Was für eine Show!

Komplett auf das Gestein reduziert dem die Reben entstammen, so fühlt sich der Les Boccards im Mund an. Auf der Zunge frisch, schlank, aktiv, säurebetont, rotfruchtig und granitbestaubt, am Gaumen zart würzig, enorm griffig und verweilend. Unglaublich frisch und belebend, extrem feinmaschig gestrickter Wein. Entwickelt einen Trinkfluss dem man sich konsequent entgegen stemmen muss, weil sonst die Flasche schneller leer ist als geplant war. Zwei Stunden bis zum nächsten Glas zu warten kommt einer Folter gleich, will man doch genau jetzt erleben wie er ‘aufmacht’ und noch begehrenswerter wird. In der Zwischenzeit empfehle ich jedem der gerne Beaujolais trinkt, sich einmal von der ganzen leidigen Billigplörre zu verabschieden und sich mit diesen Gamay die Kiemen zu fluten.

Nach vier Stunden Sauerstoffaufnahme schafft man es, dass die Zunge nicht mehr am staubbeschichteten Gaumen haften bleibt, haben sich die Gerbstoffe soweit ‘selbstdiszipliniert’, dass man sie nun als höchst willkommene Begleiter wahrnimmt. Es schmeckt jetzt rot, eindeutig, nach Kirschen, Preiselbeeren und auch ein paar Erdbeerstücke sind darunter. Frische Säure zieht nach wie vor über die Zunge und lässt den Les Boccards tanzen. An den Zungenrändern neckisch und lebhaft. Ganz weit hinten heller Tabak, gerademal ein Hauch davon. Im Abgang mineralisch, nach Stein und Staub, gefärbt mit rot. Lang im Nachhall und dabei leicht und fein.

Resümee: Wenn Sie Gamay (und nicht das ordinäre Zeug das auch aus dieser Rebsorte hergestellt wird) mögen, dann wird es Zeit sich einmal einen Les Boccards zu gönnen. Dann sehen Sie was möglich ist, wie “echter” Beaujolais schmeckt und sich im Mund anfühlt. Wenn Sie dann drauf hängen bleiben ist das nicht meine Schuld, ich habe Sie ja vorgewarnt.

Tipp: Zwei, besser drei bis vier Stunden in den Dekanter damit. 14-16º sind perfekt. Zur Küche Frankreichs oder einfach zur Brettljause mit Wurst und kaltem Braten. Sogar als Solist ein Könner. Nur dann bitte mindestens fünf Stunden Luft schnappen lassen.

Einen Bericht über den Les Boccards lesen Sie auch hier.

Verkostet wurde ein ‘Les Boccards’ Chénas rouge 2012 von der Domaine Thillardon aus Chénas im Beaujolais, Frankreich. Bezugsquelle: Pinard de Picard, Saarwellingen.

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Kategorie: Pinard de Picard, Verkostet

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