Leidenschaft 2012 Grüner Veltliner

| 29. September 2015 ...alles

Wer braucht schon Pfeffer?

Grüner Veltliner, der mit herkömmlichen Vertretern seiner Gattung nicht viel gemeinsam hat. Dafür hat er Vieles, das unbedingt entdeckt werden sollte.

Winzer/Weingut: Martin & Anna Arndorfer, Strass/Strassertale, Österreich.

Lage/Herkunft: Von den besten Lagen mit Urgesteinsböden rund um Strass im Strassertale.

GV Leidenschaft 2012 Flasche/Etikett: Das in gedecktem weiss gehaltene Etikett wirkt durch die verwendeten Schriften verspielt, ist dabei aber doch klar und aufgeräumt. Auf der linken Seite eine Zeichnung die so etwas wie eine Sonne oder Blume darstellen soll. Darunter erst auf den zweiten Blick erkennbar die Initialen m und A. Rechts oben martin & anna ARNDORFER und rechts unten in dunkelgrün gr. Veltliner ’12 die Leidenschaft. Das Rückenetikett gibt dann schon mehr preis. So erfährt man alles über die Weine der Linie Leidenschaft und was man damit zeigen will. Auch in englisch wird verlautbart was man über diesen Wein zu sagen hat. Ganz unten dann noch alles was an vorgeschriebenen Informationen nötig ist. 13 flotte Umdrehungen treiben “die Leidenschaft” vorwärt. Ein Hinweis in dem Text ist dann ganz wesentlich; “Ein Wein, der Genuss und Zeit voraussetzt.” Das heisst für mich entschlüsselt, dass der Wein auf jeden Fall für eine Stunde in die Karaffe kommt und im Anschluss aus dem grossen Kelch getrunken wird.

Im Glas: Wie das Gold des Fort Knox funkelt die Leidenschaft, so werde ich den Wein jetzt nennen, im grossen Becher. Satt, dicht und tief.

In der Nase: Der Duft eine Mixtur aus Äpfeln, Ringlotten, Birnen und auch etwas Banane. Eindeutig NICHT als Grüner Veltliner identifizierbar. Interessant. Es riecht reif, kompakt, saftig und pikant. Vor allem kräftig gelb. Es dampft wie auf einer Streuobstwiese auf der das Obst bereits nach dessen Entdeckung schreit. Dabei fühlt es sich weich an in der Nase und bleibt dort auch ewig lange präsent. Im Hintergrund etwas Zitrus und ein Löffel Blütenhonig.

Im Mund: Da jodelt die Zunge! Wie Öl fliesst die Leidenschaft auf sie und entledigt sich auf der Stelle einer opulent gelben Fruchtigkeit, die von einer ebenso opulent frischen Säure gestützt wird. Heisst soviel wie: Da tanzt der Saft mit der Zitronenspalte Polka. Wer glaubt, dass das schon alles war, liegt voll daneben. Das ist wie Heizöl leicht im Mund, nur brennt es nicht, es schmeckt. Es ist cremig, was heisst cremig, es ist ölig. Wer glaubt, dass das nur breit sein kann, der irrt schon wieder: Es ist lang, es ist frisch, es ist so gelbstichig, dass es fast schon weh tut. Und es schmatzt so schmelzig, dass man am liebsten den ganzen Mund damit befüllen möchte. Auf der Zunge sticht der Saft fast, am Gaumen zieht die Leidenschaft mit Leidenschaft pikant entlang. Der Abgang lang, saftig, weich und cremig. Was zum Henker ist das für ein Stoff?

Sie suchen das Pfefferl? Na dann, viel Erfolg. Vor allem aber reichlich Zeit. Es könnte nämlich dauern. Der Pfeffer hat hier frei. Dafür trottet eine dicke fette Birne über die Zunge, quetscht unentwegt ihren Saft in die Gegend und auch der dicke gelbe Apfel lässt sich nicht lumpen. Ich bin mir zum ersten Mal nicht sicher ob ich den Wein vielleicht zu früh angetrunken habe und er nicht doch noch ein, zwei Stunden Luft benötigt. So saftig, ölig, dicht und gelb wie der hier im Mund agiert ist nicht normal, im positiven Sinn. Sowas muss man wohl in der Kirche den Sündern nach getaner Beichte zwischen die Kiemen kippen. Wo war ich? Ja, genau. Frisch ist die Leidenschaft dann auch noch, richtig knusprig stellenweise, der Puls der Säure hoch, jedoch tief eingebettet in einer pikanten gelben Würze die irritiert, weil sie derart dramatisch ist. Erst jetzt beginnt die Leidenschaft am Gaumen auch ein wenig zitronig wie fein kräutrig zu werden. Etwas Honig taucht wieder auf und sorgt für die perfekte Schmierung. Ich lass den Saft jetzt einmal stehen und werde ihn in zwei, drei Stunden neulich untersuchen.

Was sich eindeutig abzeichnet, ist, dass die Leidenschaft an Opulenz abnimmt und immer mehr eine frische, knackige Mineralität freisetzt. Es bleibt zwar gelb und saftig, doch löst sich das Ölige nun etwas auf und wird feiner in seiner Struktur. Auch am Gaumen etwas herber, was im Vergleich zum Anfang aber immer noch sehr schmelzig und auch fruchtbetont ist. Mehr Kräuter kommen durch, es wird insgesamt etwas trockener was allem nur gut tut. Was sich vehement in den Vordergrund drängt ist eine Säureader die es in sich hat. Zitronig, mineralisch, rassig, aus einem Körper heraus, der sich wie nimm2soft mit PLOPP anfühlt.

Resümee: Insgesamt ein Grüner Veltliner, der mit herkömmlichen Vertretern seiner Gattung nicht viel gemeinsam hat. Dafür hat er soviel Überraschendes, das unbedingt entdeckt werden sollte. Soweit die Lage nach vier Stunden, den Rest verkoste ich am Abend. Ich bin sicher, dass dann wieder ein völlig anderer Wein im Glas steht. Aber das müssen Sie dann selbst erkunden.

Tipp: 60 Minuten Luft sollte man ihm gönnen. Mit 10-12º geniessen. Zu Wiener Schnitzel, Back- und Grillhendl, gegrilltem Fisch. Als Alleinunterhalter einer, der wie angekündigt, viel Zeit und Luft braucht um seine ganze Vielfalt auszuspielen.

Einen Bericht über den GV Leidenschaft lesen Sie auch hier.

Verkostet wurde ein Grüner Veltliner Leidenschaft 2012 vom Weingut Martin & Anna Arndorfer aus Strass im Strassertale, Niederösterreich. Bezugsquelle: 225 Liter-Handverlesene Weine, München.

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Kategorie: 225 Liter, Verkostet

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