Gumpold Reserve 2010

| 1. Juli 2013 ...alles

Dreckig, aber nicht ungepflegt.

Keine banal belanglose Reinzuchthefe-Mundspülung, das ist Stoff für Männer die wegen einem aufgeschlagenen Knie nicht sofort den Notruf wählen.

Winzer/Weingut: Weingut Schellmann, Gumpoldskirchen, Österreich.

Lage/Herkunft: Von 25 Jahre alten Rebstöcken der Lage Brindlbach, der besten Lage für Chardonnay in Gumpoldskirchen.

Gumpold Reserve 2010 Flasche/Etikett: Mit einem beeindruckenden Etikett versehen steht die Burgunderflasche hier am Tisch und protzt mit ihren schwarzen Riesenlettern drauf. Schellmann in dicken, fetten, schwarzen Kapitalen, darunter Gumpold und in rot Reserve, damit man weiss was Sache ist. Der Jahrgang 2010 überdimensional unten aufgedruckt und darunter das obligate polynesische Männchen, das ein Fruchtbarkeitssymbol des Inselvolkes darstellt. Schellmann partiell lackiert, damit das Schwarz noch imposanter in Erscheinung tritt. Ebenso Reserve in rot, damit es richtig flunkert auf der Flasche. Unterlegt ist das komplette Stück Papier mit einem formatfüllenden grauen S. Wenn man die Flasche dreht liest man rechts woher der Wein stammt, wer ihn abgefüllt hat sowie den Hinweis auf die Winzervereinigung respekt, der Fred Loimer angehört. Auf der linken Seite stehen in grossen Ziffern die 13,5% die der Gumpold Reserve in sich beherbergt. Dass Chardonnay in dieser Flasche drin ist muss man raten oder weiss es einfach.

Bevor wir den Brummer von der ‘Südbahn’ aber in die Burgundergläser lassen wird der Gumpold Reserve für vier Stunden in die Karaffe verfrachtet um sich zu sammeln und für seinen grossen Auftritt vorzubereiten.

Im Glas: Im grossen Kelch zeigt sich der Gumpold in kräftigem Gelb mit goldenen Reflexen. Ein dicker Film zieht die Glaswand hinab.

In der Nase: Ein warmer, würziger und sich rund anfühlender Duft strömt einem entgegen. Man riecht ‘überfällige’ Äpfel, kräftige Nuss- und Brotaromen sowie Waldhonig und sogar so etwas wie Zitrusfrucht. Man ahnt was einen erwartet, spürt den Wein schon in der Nase und erinnert sich an die ‘Düfte’ von bereits verkosteten Naturweinen. Eine ausdrucksstarke Mineralik hält alles fest zusammen, man kann die Erde richtig riechen und man weiss, dass sich hier definitiv kein Tropfen im Glas befindet den man sich rasch mal nebenher gönnt. Beeindruckend diese würzig-aromatische Note die sich förmlich in den Nasenflügeln eingräbt.

Im Mund: Gross ist die Überraschung als der Gumpold in den Mund kommt. Da ist nichts von dieser intensiven Kraft die in die Nase geströmt ist, der Wein ist weich, rund, cremig und füllt den Mundraum warm und würzig aus ohne ihn zu überfüllen. Zum einen fühlt es sich sehr saftig an, und dann spürt man eine richtig spassige Säurespur auf der Zunge. Man nimmt irgendwie zwei Weine gleichzeitig im Mund wahr. Einer ist kraftvoll, voluminös und hoch aromatisch, der andere ist überraschend weich, klar und elegant in Frucht und Säure. Als wäre er im Sonntagsanzug durch den Weingarten gejoggt und jetzt entsprechend von Staub und Erde eingehüllt. Man schmeckt das ganze Portfolio das eine Bäckerei zu bieten hat, von Hefe- Brot- und Nussaromen über Brioche bis hin zu all den warmen Teignoten. Über all dem schwebt ein Hauch von gedörrtem Apfel und Zitronenschalen. Man spürt den Gumpold kraftvoll, den Mund füllend und merkt wie zielstrebig er dabei über die Zunge und den Gaumen gleitet. Rauchige Mineralik brennt sich ein, aromatisch gleitet er die Kehle runter und lange lange hallt er in seiner Nussigkeit nach. Der Gumpold ist ein Wein den man mag oder ablehnt, so kompromisslos ist er gegen den Mainstream gebürstet.

Im Halbstundentakt wird der Gumpold süffiger, aromatischer, sogar die Zitrusfrucht wird saftiger und auch der Honig tropft zwischen all den Bäckereiaromen zaghaft raus. Trotz seines Volumens fühlt sich der Tropfen frisch, sogar elegant an. Er hüllt die Zunge sanft in dicken Saft ein ohne dick zu sein. Es ist seine weiche, in sich ruhende Art die für dieses Gefühl sorgt. Er breitet sich rundum im Mund aus und gibt sein volles Aromenprogramm preis, macht es warm, macht es würzig, sehr aromatisch und insgesamt ‘gelb’ im Mundgefühl. Am Gaumen bleibt ein warmes Brioche-Butter-Gemisch haften, versetzt mit Nussaromen und fast schon opulenter Saftigkeit. Bei all dieser Fülle schafft es der Gumpold auf beeindruckende Weise fein, frisch, und mitreissend zu bleiben. Er zeigt Muskeln, nicht aufgepumpt sondern klar definiert. Er beweist Kraft, verliert aber dabei nicht seine Finesse. Er ist ‘dreckig’, aber nicht ungepflegt.

Resümee: Der Gumpold ist keine banal belanglose Reinzuchthefe-Mundspülung, er ist Stoff für Männer die schon mal Pitralon verwenden und wegen einem aufgeschlagenen Knie nicht sofort nach lebenserhaltenden Massnahmen schreien. Subjektiv betrachtet ist der Gumpold Reserve ein Chardonnay wie ich persönlich ihn mag. Was gleichzeitig soviel heisst, dass es viele geben wird die ihn nicht mögen. Genau das aber ist dem Wein egal. Er zieht abseits der ausgetretenen Pfade seines Weges und erfreut jenen Weinfreund, der sich vorbehaltlos auf ihn einlässt und schickt den Rest zum ‘industriegechipten’ Teufel. Klar, 30 Euro muss man auch gewillt sein auszugeben, der Gegenwert den man erhält ist aber auch nicht grade der von Alltagsware.

Tipp: 3-4 Stunden in die Karaffe mit dem Wein und dann auf ins Abenteuer. Um die 12-14º sind ideal, keinesfalls zu kalt trinken. Schreit nach grosser Küche, macht aber als Meditationswein genauso grossen Spass und entführt in unbekannte Regionen.

Einen Bericht über den Gumpold lesen Sie auch hier.

Verkostet wurde ein Chardonnay Gumpold Reserve 2010 vom Weingut Schellmann aus Gumpoldskirchen, Niederösterreich.

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Kategorie: Loimer, Verkostet

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