Graf Morillon 2008

| 3. Dezember 2012 ...alles

Zeit im Wein erleben.

Wein den man über zwei und mehr Tage trinken kann und soll, den man ‘erleben’ muss um die Zeit darin wieder zu finden. Chardonnay für Könner.

Winzer/Weingut: Weingut Maria & Sepp Muster, Leutschach/Steiermark, Österreich.

Lage/Herkunft: Von der Lage Graf aus Opokgestein mit kalkhältigen, lehmigen Schluffen aus Mergel.

Flasche/Etikett: Auch diese Flasche ist in dunkelbraun gehalten und das Etikett unterscheidet sich zu dem vom Sauvignon vom Opok nur farblich. Das Design mit dem Namen ‘Horizonte’ stammt vom 2009 verstorbenen Lehrer, Maler und Bildhauer Beppo Pliem. Beim ‘Grafen’ ist es statt grün und gelb in braun und gelb gestaltet, was wohl auf die lehmhaltigen und kargen Bodenverhältnisse der Lage hinweisen soll. Insgesamt erweckt es wieder schön den Eindruck als würde man über die Landschaft sehen. Auch auf diesem Etikett in Schreibmaschinentypo der Name des Weines und im Stempellook das Weingut ‘eingebrannt’. Am Rückenetikett erfährt der Weinfreund wieder alles über Boden, Lage und deren Geschichte. Natürlich wieder eine Empfehlung zur idealen Trinktemperatur sowie der Hinweis mittels ‘Siegel’, dass der Betrieb der Musters Demeter-zertifiziert ist. Nachdem der steirische ‘Graf’ bereits zwei Stunden an der frischen Luft verbracht hat ist es Zeit ihn in die blank polierten Burgunderkelche einzugiessen.

Im Glas: Weniger ‘orange’ als vermutet, dafür aber umso konzentrierter gelb leuchtet der Graf satt und kräftig aus dem grossen Becher. Äusserst klar ist sein Erscheinungsbild und fette Schlieren fliessen an der Glaswand ab.

In der Nase: Warme Aromen strömen einem in die Nase, etwas nussiges, etwas wie warmer Teig und eine feine kräuterwürzige Note steht ebenfalls ‘im Raum’. Ein sehr mineralisches Bukett das Wärme ausstrahlt. Es riecht mild in des Wortes Sinn, macht keinen Krach und ist nicht übermässig intensiv, obwohl es durchaus als kraftvoll bezeichnet werden kann. Alles duftet irgendwie nussig-karamellig und brennt sich richtig in der Nase ein. Ein Schnüffel-Bukett das neugierig macht, das Wohlbehagen auslöst und einen auf charmante Weise in eine andere, neue ‘Geruchswelt’ entführt.

Im Mund: Salzig-mineralisch setzt sich der Graf auf die Zunge und überrascht mit seiner weichen und doch kräftigen Statur. Alles wirkt ruhig und gesittet, fast vorsichtig gleitet er über die Zungenränder ab und erst dort spürt man diese milde Säure die sich bemerkbar macht. Mit einer charmanten Würze setzt er sich am Gaumen fest, umspült diesen mit feinen Teigaromen und lässt einen den berühmten ‘Schuss Nuss’ spüren und schmecken. Was eine eventuell vorhandene Frucht angeht; Fehlanzeige. Da ist nichts mit Frucht, da war anscheinend nie welche drin und wird auch nie welche drin sein. Dafür füllt einem Graf Morillon den Mundraum mit einer derart würzigen Mineralität aus, dass man mit dem Nachschmecken gar nicht nachkommt. Dieser feine salzige Stich auf den Lippen und den Zungenrändern fasziniert, macht Spass und lenkt einen fast von den warmen Aromen die da noch im Spiel sind ab. Diese Teigwärme ist so typisch Chardonnay und doch irgendwie frischer, nicht wirklich füllig aber doch voll, weich und angenehm im Mund. Die Nuss nicht minder typisch und auch diese etwas eleganter und nicht so dominant. Irgendwie fühlt es sich an als würde sich der Wein erst öffnen, als käme da noch viel viel mehr mit jeder weiteren Stunde, Monat und Jahr. Und doch schindet Graf Morillon schon jetzt so richtig Eindruck und schickt sich an zum heimlichen Liebling zu mutieren. Ach ja, im Abgang ist er warm und weich und ‘teigig’, hinterlässt sogar einen leicht herben Nachgeschmack. Wie sich das im Lauf des Tages dann verändert werden wir am Abend sehen.

Sieben Stunden später hat sich das Bukett noch mehr verdichtet, ist konzentrierter geworden und duftet noch mineralischer als zu Mittag. Der Nusston ist geblieben und die Teigaromen sind nur mehr ganz schwach wahrnehmbar. Es riecht fülliger. Im Mund fühlt sich Graf Morillon jetzt opulenter (ohne dick zu wirken) an, zieht wie Lippencreme über selbige und hinterlässt ein balsamweiches Gefühl auf ihnen. Das grösste Fragezeichen das er auf der Zunge hinterlässt ist die Frage, ob das würzig oder salzig ist was man da spürt. Alles endet auf der Zungenspitze die hektisch auf und ab tanzt um diesem spritzigen Gefühl hinterher zu hecheln. Es schmeckt anders, frech, extrovertiert und während die Zungenspitze dauerbeschäftigt ist spürt man am Gaumen diese warme Teignote dahin ziehen. Die sieben Stunden Luftaufnahme haben Graf Morillon deutlich kraftvoller, noch runder und merklich nussiger werden lassen. Dafür sorgt auch die Zunahme der Trinktemperatur, die das Mundgefühl noch voller wirken lässt und den Aromen dienlicher ist als zuvor. Der Wein wirkt weicher und geschmeidiger, vergisst dabei aber nicht mit seinem frechen Säurespiel eine aktive Frische zu vermitteln. Morgen mittags geht es weiter mit dem Rest und die Neugier ist entsprechend gross.

2. Verkostungstag

Was nach 24 Stunden in der Nase übrig ist, ist Nuss und pure Mineralik. Beeindruckend wie sich Graf Morillon selbst aufs Wesentlichste reduziert hat. Im Mund wirkt er jetzt am rundesten, er hat sich fein heraus geputzt und wirkt fast handzahm. Der freche Salzstich auf der Zunge ist geblieben, oder ist es doch die Kräuterwürze? Letztlich brilliert er mit purer Mineralität die richtig Eindruck schindet. Es macht Spass ihn einerseits frisch und lebendig und gleichzeitig so sanft im Mund zu spüren. Nichts ist mehr mit herb am Gaumen, er wirkt weich, vornehm und richtig aromatisch. Alles in diesen Nuss/Teigmantel eingebunden der nach wie vor wunderbar präsent ist und eindeutig die tragende Rolle spielt. Es ist ein Gefühl von Wärme das sich im Mundraum ausbreitet, die feine und milde Säure haucht dem Tropfen Leben ein und lässt ihn sogar ein wenig übermütig wirken. Nach einem Tag schmeckt Graf Morillon (mir zumindest) am besten, was natürlich subjektiv ist und jeder für sich selbst erleben muss. Mir persönlich gefällt er jetzt am besten, weil alles noch mehr zusammengerückt ist, sich noch intensiver miteinander verbunden hat und er in sich geschlossener erscheint. Jetzt ist er richtig vornehm, wie es sich für Grafen eben so gehört.

Resümee: Es ist dies der vierte ‘Naturwein’ der Wertegemeinschaft Schmecke das Leben den ich jetzt verkoste und ich komme immer mehr zur Überzeugung, dass diese Weine (für mein Empfinden) dazu gemacht sind, um mit sich selbst ein Stück mehr ins Reine zu kommen. So erlebe ich auch Graf Morillon, der mich zurücklehnen lässt, mich zwingt innezuhalten und mich daran erinnert, mich intensiver mit dem zu beschäftigen was direkt vor meiner ‘Nase’ abläuft. Wie alle Weine zuvor beschert auch der ‘Graf’ ein neues Weinerlebnis, ein langsameres, ruhigeres, vor allem längeres. Ein Wein den man über zwei und mehr Tage trinken kann und soll, den man ‘erleben’ muss. Zeit im Wein und wie sich dieser in ihr verändert zu erfühlen und zu erschmecken, ist ein Erlebnis der ganz besonderen Art.

Tipp: Zwei bis vier Stunden in die Karaffe mit Wein und dann über den Tag verteilt, oder besser über zwei, geniessen. 14-16º! Trinktemperatur sind perfekt. Seelenbalsam den man sich am besten solo gönnt und sich mit ihm der Zeit entzieht. Wein für Menschen die sich ausserhalb des Tellerrands bewegen.

Einen Bericht über den Graf Morillon lesen Sie auch hier.

Verkostet wurde ein Graf Morillon 2008 von Maria & Sepp Muster vom Weingut Muster in Leutschach in der Steiermark, Österreich. Das Weingut Muster ist Mitglied der Wertevereinigung Schmecke das Leben.

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Kategorie: Schmecke das Leben, Verkostet

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